MITTELDEUTSCHE ZEITUNG
Lokalausgabe Aschersleben 7.6.2010

Dreifaches Leuchten bei "Irrlichtern"


Von Uwe Kraus
Minneturnier

Erstmals gab es zum 5. Minnesänger-Turnier ein Miteinander.
Hier treten alle Sänger gemeinsam auf.
(Foto: Uwe Kraus)

Falkenstein/MZ. Aus Köln und Hagen, Schmalkalden, Potsdam und Hamburg sowie aus den Harzer Gefilden pilgerte das Publikum am Sonnabend auf die sonnendurchflutete Burg Falkenstein.  

Das nunmehr 5. Minnesängerturnier zog die Mittelalter-Fans ebenso wie das Hamburger Ehepaar, das hier Urlaub macht, und die Wirtsleute aus Werder, die extra dafür "schnell mal" in den Harz reisten. Bei allen schon traditionellen Gebrechen bei Anmarsch oder Versorgung, die Gäste des "Burgherren" Joachim Schymalla erlebten wohl den bisher nicht nur musikalisch besten Minnewettstreit.

Dieses Jahr war manches anders. Und das schien gut so. Keine Pflicht- und Kürgesänge, eine große Dichte in der Qualität und erstmals geballte Frauen-Power. Das Minneturnier sollte ein Tribut an "Ougenweide" werden. Die Bandmitglieder gelten als die Pioniere des Mittelalter-Rock und wurden von der versammelten Minnesänger- sowie Mittelalterszene gebührend gefeiert. Deshalb erklangen (fast) ausschließlich Lieder aus dem Ougenweide-Repertoire, auf originelle Art selber zu interpretieren. Und die Gründungsväter höchstselbst gaben die Jury, obwohl man ihnen in manchen Momenten ansah, sie hätte ganz gerne mit da auf der Bühne gesungen. Und sie gaben zu, es fiel ihnen recht schwer, sich zu entscheiden, wem der silberne Becher gebührt.
Die Herren wurden angesungen

Dass diesmal nicht nur Minnesänger wie Knud Seckel, Marcus van Langen und Holger Schäfer schmachteten, sondern auch Ensembles wie "Die Irrlichter", "Irregang", "Skandor", das halbierte Duo "Vrouwenheide" und "Arundo" sowie die Sängerin Ursel Peters, stand dem Abend bestens zu Gesicht. Auch wenn der moderierende Meister Frauenlob (Peter Will), der in die Gegenwart geschickt worden war, mehrfach kritisierte, dass hier nicht Frau Minne gefrönt werde, sondern "mit lieblichen Ton Herren angesungen". Der Henker Stempfel (Bernd Bonnet) zeigte sich zunehmend gütig den Frauen zugewandt. Schließlich schienen "Die Irrlichter" mit ihrer Kampfansage gegen die Männer selbst ihn betört zu haben.

Ganz im Sinne von "Ougenweide" schlug der Abend eine Brücke vom Mittelalter ins Heute. Alle Achtung, was die neun Wettbewerbsteilnehmer und besonders die "Dauerunterstützer" vom nordhessischen Musiktheater "Dingo" da boten, war nicht nur eine "Augenweide", sondern musikalisch ein Genuss. Hervorstechend dabei die Dingo-Solistin Dagmar Jahn mit klarer, sauberer Stimme sowie Virtuosität an den Flöten. So gestalteten die Dingos und die wetteifernden Musikanten gleichzeitig eine Schau oft längst aus dem Ohr gekommener Instrumente: Großbass-Krummhorn, Djembe, Hang, Geyerleier, Portativ oder Pandeiro und Guitarron, wer kennt sie aus dem musikalischen Alltag?

Minnevision-Contest

Rein optisch ähnelte das Turnier gelegentlich etwas an "Minnevision-Contest", wenn es Feuer regnet, "Minne-TV" wichtig tuend eine Standkamera aufbaut, Duft versprüht und die Nebelmaschine angeworfen wird. Doch im Vordergrund blieb immer der Gesang und die Beherrschung der alten Instrumente. Das Text-Repertoire reiche vom Althochdeutschen bei Frank Wunderlich "Vrouwenheide", über "Camina Burana" bis zur Gellert-Fabel und der nordischen "Edda" bei "Arundo". Die Gruppe aus Hannover mit ihrem Teufelsgeiger Guido Eva sang das zeitlich jüngste Ougenweide-Lied und lebt besonders von der großen Stimme einer Sabrina Reiser.

Unter den Männern stach aktionsreich Marcus van Langen hervor, der selbstbewusst bekannte: "Ich bin doch nicht Lena" und vom Henker verdächtigt wurde, der "Lockvogel des Teufels" zu sein. Holger Schäfer stellte er nach dessen von Dagmar Jahn frauenstimmlich gestützten Vortrag von "Der Blinde und der Lahme" vor die Marter-Alternative "Blenden oder Beine brechen?" Doch so martialisch ging es dann doch im Burghof nicht zu. Es wirkte eher wie große Szene-Verschwesterung, wo sich jeder hilft und unterstützt, um einen tollen Abend zu gestalten. Das gelang zur Freude der Besucher großartig.

Doch irgendwann ging es dann an die Preisvergabe. Der silberne Becher der Jury ging an: "Die Irrlichter". Wofür das Publikum votiert hatte, war spätenstens klar, als Klaus Schymalla fragte: "Wie heißt den The winner ist auf Köllsch? - Für "Wan si dahs" von den Kölner Frauen noch ein Silber-Becher. Auch den Sonderpreis von "Radio Aena" ging an die bezaubernden Daniela Heiderich, Brigitta Jaroschek, Stephanie Keup, Jutta Simon-Alt sowie Jutta Tiedge, ein Dreifach-Triumph.

"Die Irrlichter" sind das wohl bekannteste Frauen-Ensemble der Mittelalterszene; die fünf frechen Ladies aus Köln widmen sich dem Ougenweide-Lied "Wan si dahs". Der Text stammt von Gottfried von Neifen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Geschildert wird der erfolglose Versuch eines jungen Mannes, das Herz einer jungen Dame zu gewinnen. Sie hält ihn für einen windigen Gesellen, den sie lieber hängen sieht, als sich ihm hinzugeben. Charakteristisch für die Musik der Irrlichter sind der mehrstimmige Gesang, die wechselnden Solistinnen und die liebevollen Arrangements. Auf Nachbauten alter Instrumente interpretieren sie Überliefertes auf ihre unverwechselbare, sympathische Art.

Und wer in seiner Punkte-Vergabe doch etwas anders lag, konnte auch die anderen Minnesänger oder Frauenstimmen auf CD gepresst nach Hause tragen. So wird aus einer "Ougenweide" auch eine Ohrenweide mit guten Erinnerungen an den Falkensteine Burghof bis 2011.