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innesang.com: Bibliothek der Minnesänger

                                                                              

Frauenlob Manesse-Bild

Minnesang.com
Dr. Lothar Jahn
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Neidhart auf CD:

Neidhart, Ensemble Augsburg
ENSEMBLE FÜR FRÜHE MUSIK AUGSBURG: Neidhart von Reuental
- Ein echter Klassiker, der das Neidhartschaffen in seiner ganzen Breite mit voller Spielfreude und Sangeslust dokumentiert. Das pralle Leben!
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Binkley
THOMAS BINKLEYS STUDIO FÜR FRÜHE MUSIK: Troubadours, Trouvères Minstrels
- Die umfangreiche Doppel-CD mit einem kompletten Überblick über die Entwicklung des Minnesangs enthält auch einige Neidhart-Lieder.

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Burg Falkenstein
BURG FALKENSTEIN: Minnesänger-Wettstreit 2005
- Hans Hegner und Collage sind mit einer ausgedehnten Version des Mutter-Tochter-Klassikers "Blozen" zu hören, Marcus van Langen stimmt "Meie din" an
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Minne im Mayen
DIVERSE: Minne im Mayen
- Diese Sammlung von Frühlingsliedern des Minnesangs enthält auch fünf Neidhart-Lieder

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I Ciarlatani
I CIARLATANI: Codex Manesse-
Hier finden sich auch drei Neidhart-Lieder, ein tragisches Winterlied, das Lied vom Gimpel-Gempel und der Mutter- Tocher-Dialog "Blozen"
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Dingo
MUSIKTHEATER DINGO: Es stunt ein frouwe alleine -
 Frauenlieder des Mittelalters inklusive zwei Mutter-Tochter-Dialogliedern
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NEIDHART "VON REUENTAL"
von Dr. Lothar Jahn

Die Manessische Liederhandschrift kennt ihn als "Herrn Neidhart", der Zusatz "von Reuental" leitet sich aus diversen Liedern ab, in denen er sich selbst als Kunstfigur einführt. Er ist wohl eher bildlich gemeint, als dass er eine örtliche Herkunft ausdrückt. Neidhart war schon zu Lebzeiten ungeheuer populär, seine Lieder wurden nicht nur gern gesungen, sondern auch fortgesponnen und nachgedichtet . So sind mehr als 50 Lieder mit Noten (!) unter seinem Namen überliefert, eine Trennung in "echt" und "unecht", "Neidhart" und "Pseudo-Neidhart", wie man sie früher versucht hat, lässt sich dabei nicht zweifelsfrei vornehmen.

Neidharts Lieder beginnen meist ganz konventionell mit Naturschilderungen: Der schöne Mai ist gekommen, der böse Frost ist verschwunden, alles ist am Knospen und Blühen. Und auch die übliche Fortsetzung, wie sie die Minnesänger schon von den Trobadors abgeschaut hatten, die "Minneklage" über eine unbarmherzige Herrin, die sich weigert, den edelmütigen Sänger zu erhören, weshalb ihm die Maienfreude nicht recht gelingen will, wird pflichtgemäß eingeführt.

Wie Neidhart das ganze aber fortführt, dass ist neu, bislang ungehört, ja unerhört: Der Minneklage folgen Schilderungen einer grotesken Szenerie grausamer dörflicher Rüpel ("Dörper"), die mit viel Ellenbogen dem edlen Ritter den Platz streitig machen wollen. „Rumpolt, Gumpolt, Krumpolt,“ heißen diese Herren, „Berchtram, Gosse, Siegebold, Engeldich und Amelolt oder Engelram.“ Und mittendrin: der eitle Hildemar mit seinem Lockenhaar, der tumbe Irrenbär mit seinem Speer und der schreckliche Engelmar, der der schönen Friederun den Spiegel fortgerissen hat. Diese Herren, die sich zwar höfisch kleiden, aber ihre bäuerliche Herkunft nicht verleugnen können, treten vorwiegend in großen Gruppen auf. Sie betören und begrabschen die Mädchen, die doch eigentlich ihr Herz dem Ritter schenken müssten, und zetteln Schlägereien an, so dass der Ritter sich manchmal nur noch in ein Fass retten kann.  Kurzum: Neidhart ist der Chronist der aufstrebenden Bauernschaft und des Niedergangs des Rittertums.  Solche Lieder wurden deshalb auch nicht vor einem dörflichen Publikum gesungen, sondern im höfischen Rahmen, zur Freude des ritterlichen Publikums, das seine Ressentiments gegen den frechen Pöbel bestätigt bekam.

Walther von der Vogelweide, ohne dessen Grenzüberschreitungen Neidhart sicher so nicht hätte dichten können, mochte diese Lieder aber nicht: „Owê hovellichez singen, daz dich ungefüege doene solten ie ze hove dringen", so ereiferte er sich in einem deutlich gegen Neidhart gerichteten Lied. Dabei schwang sicher auch der Ärger mit, dass das Publikum genauso wie die Mäzene etwa am Babenberger Hofe nun einem anderen, etwa 10 Jahre Jüngeren den Vorzug gaben. Dieser Stil war trotzdem über 150 Jahre ungeheuer populär, die mitreißenden Lieder wurden weitergetragen, hinzu kamen Neidhart-Schwänke, die die Auseinandersetzungen mit Rumpold, Gumpold, Krumpold auch auf die Bühne brachten.

Ein weiteres beliebtes Thema bei Neidhart sind Wechselgesänge zwischen Mutter und Tochter im Stil des auch bei den Trouvères sehr beliebten "jeu parti". Dabei folgt dem unvermeidlichen Natureingang ein Zwiegespräch zwischen Mutter und Tochter, meist im strophischen Wechsel. Im Normalfall geht der so: Die Tochter zieht es hinaus auf den Tanzplatz, sie möchte mit ihren Freundinnen dort Spaß haben. Der Mutter ist das aber gar nicht recht, zuhause gibt es viel zu tun, außerdem weiß sie, welche Gefahren dort draußen warten. Die Tochter weiß es aber besser, denn dort warten nicht nur die Jungen aus dem Dorfe, sondern auch jener wunderbare Ritter von Reuental. Die Mutter warnt heftig vor Rittersleuten, die wollen nämlich nur ihren Spaß und dann sind sie weg und das Mädchen steht allein da, in Schande und, wenn sie Pech hat, mit einem Kind. Ach, wenn sie sich doch an den Meier halten würde, der hat seinen Kasten gut gefüllt und ist auch sonst  eine gute Partie. Doch der Tochter gefällt der Meier nicht, er stinkt nach Stall und Ziegen, sie glaubt, sie kann was Bess'res kriegen. Nicht selten endet der Dialog in Handgreiflichkeiten. Neidhart gewinnt diesem Schema immer wieder neue Nuancen ab,  manchmal dreht er das ganze sogar um und lässt die Tochter in die Rolle der Vernünftigen schlüpfen, die die Mutter davon abhalten möchte, sich in ein Abenteuer zu stürzen.

Naben drastischen Schilderungen von Gewalttätigkeiten, bei denen der dreiste Bauern-Boss Engelmar auch sein Bein verlieren darf und nun mit einem Stumpf herumlaufen muss, gibt es manchmal auch deftige Erotik in Neidhart-Liedern. So berichtet er ganz im klagenden Minnestil von einer ungnädigen Herrin, die ihn immer wieder zurückweist. Doch dann folgt er ihr beim Spaziergang in den Wald, wo sie sich heimlich mit einem Ritter aus Wien trifft. Der zeigt ihr dort ein Ding, das man den "Gimpel Gempel" heißt und sie weiß auch schnell, was damit zu tun ist. Sie feuert ihn an: "nu ruera du den hozel bozel vaste, daz der gimpel gempel iht geraste! hurra! burra! wer gat da?" - Übersetzung etwa: "Beweg nur deinen Hürzelbürzel tüchtig, dann macht der Gimpel-Gempel alles richtig. Hurra! Oh ja! Wer kommt da?" Spöttisch bezeichnete man Neidhart wegen solcher Lieder auch als "Gimpel-Gempel-Sänger".

Doch er konnte nicht nur grotesk komisch sein, er hatte durchaus auch die Fähigkeit, Tragisches in Worte zu fassen. Vor allem in seinen Winterliedern sind nicht nur Kälte und abgestorbene Natur erfahrbar, sondern auch menschliche Abgründe.  Wenn er beklagt, dass er seiner Herrin - nicht nur einer realen Dame bei Hofe, sondern auch der "Frau Welt" - so lange ungelohnt gedient hat, findet er dafür ergreifende Worte und die entsprechende Melodie, die einem an der Trostlosigkeit teilhaben lässt. Und während andere Minnesänger sich zu Propagandisten der Kreuzzüge machten, schildert er realistisch den nervenaufreibenden Alltag der Pilgersoldaten und sehnt sich zurück nach den unbeschwerten Frühlingstagen, als man vom Gimpel-Gempel sang.

BUCHTIPP

NeidhartDieter Kühn: Neidhart und das Reuental
Eine Lebensreise

Sehr informativ und bei aller Freude am Spekulieren doch immer wieder mit der gebotenen Distanz widmet sich Dieter Kühn dem großen Neidhart von Reuental. Er geht verschiedene mögliche Lebensstationen durch, reist dem Meister nach und sucht Spuren. Sehr gelungen sind auch seine Prosa-Übersetzungen der Neidhart-Texte!
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MAGISTERARBEIT

Der Musikwissenschaftler und Musiker Marc Lewon (Leones, Wünnespil, Unicorn, Ordo Virtutum, Freiburger Spielleut u.v.a.) hat 2002 eine lesenswerte Magisterarbeit über mit "Untersuchungen zu den Melodien Neidharts" verfasst, der Schwerpunkt liegt auf dem Frankfurter Fragment (O), er ordnet das aber auch sehr nachvollziehbar in den Gesamtkontext der Melodien-Überlieferung ein. Dankenswerterweise steht die Arbeit im Netz für alle Interessierten bereit.
> Text der Magisterarbeit hier.
> Faksimile von O aus der Arbeit.
> Notenbeispiele der Arbeit. 

Neidhart, Manessebild
Neidhart von Reuental, Miniatur aus der Manessischen Liederhandschrift

Lebensdaten:
Die Forschung datiert ihn zwischen 1180 und 1240. Aufgrund der Ortsnamen in seinen Liedern ist eine Herkunft aus dem Raum Bayern/Salzburg wahrscheinlich. Später lässt er seine Heimat hinter sich und geht in den Wiener Raum. Er nennt den Herzog Friedrich II. von Österreich (regierte ab 1230) als Gönner, von dem er ein Haus am Lengenbach erhalten haben will. Er berichtet in zwei Liedern von der Kreuzzugsteilnahme "mit chaiser Fridreichs her", wahrscheinlich 1228.  Auch Kaiser Otto IV. wird in einem seiner Lieder erwähnt. Neidhart soll in Wien begraben sein, wo sich auf der Südseite des Stephansdomes ein (später errichtetes) Grabmal befindet.

Überliefertes Notenmaterial:
Mehr als 50 Lieder in
- Berliner Neidhart-Handschrift (c) (45 Melodien)
- Wiener Neidhart-Handschrift (w) (9 Melodien)
- Codex Buranus (1 Melodie, Neumen)
- Sterzinger Miszellaneen-Handschrift (9 Melodien)
- Kolmarer Liederhandschrift (1 Melodie)
- Handschrift x, Nürnberg (1 Melodie)
- Freiburger Neidhart-Eintrag (1 Melodie in Neumen)
- Frankfurter Neidhart-Fragment (Handschrift O) (Faksimile aus der Magisterarbeit Marc Lewons) (5 Melodien)

> Bearbeitungen in moderner Notation gibt es zum Preis von 3 Euro pro Notenblatt bei Minnesang.com, zuzügl. 3 Euro Versandpauschale!

LIEDBEISPIELE VON NEIDHART

Meie, dîn liehter schîn
und diu kleinen vogelîn
bringent vröuden vollen schrîn
daz si willekomen sîn
ich bin an den vröuden mîn
mit der werlde kranc.
alle tage ist mîn klage,
von der ich daz beste sage
unde ir holdez herze trage,
daz ich der niht wol behage
von der schulden ich verzage
daz mir nie gelanc.
also noch genuogen an ir
dienest ist gelungen
die nach guoter wibe lone
hoveschlichen rungen,
nu han ich beidiu umbesunst
gedienet unde gesungen.

Maien dein heller Schein 
und die kleinen Vögelein, 
die aus voller Kehle schrei'n,
sie soll'n mir willkommen sein, 
doch bei aller Freude mein 
wird mir  noch ganz bang. 
Alle Tage bringt mir Klage, 
die die ich im Herzen trage, 
von der ich nur Gutes sage, 
auch wenn ich ihr nicht behage, 
spüre, dass ich fast verzage, 
weil mir nichts gelang.
And'ren ist in ihrem Dienste
so viel mehr gelungen,
Die um ihre Anerkennung
voller Fleiß gerungen,
Ich nur habe ihr umsonst
gedienet und gesungen.
.

Gôzbreht, Willebolt, Gumpreht und Eppe,
Willebreht, meiers kneht,
Werenbolt und ouch der junge Tuoze.
Megenbolt, des meiers sun, und Reppe,
Irenwart, Brohselhart,
dar nâch springet der vil wilde Ruoze,
derst ein tumber, geiler Holingaere –
er gęt frîen durch daz jâr, des nemt wâr,
und ist doch den meiden gar unmaere!

Gossbart, Willibold, Gumprecht und Eppe,
Wüllenbrecht, Meiers Knecht,
Wehrenbold und auch der junge Tutze,
Megenbold, des Meiers Sohn, und Reppe,
Irrenwart, Bröselhart,
Und am Ende kommt der tumbe Rutze!
Er springt rum, als wäre er von Sinnen,
Folgt den Frauen stundenlang  wild im Drang,
Aber keine kann er je gewinnen!  

Originale: Neidhart "Meie din" und "Sinc an guldin huon", 13. Jh.
Nachdichtungen: Lothar Jahn 2009


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