Minne im Mayen


Mayen

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Alle Texte der CD (Verlag der Spielleute, 2008)
Übersetzungen: Hans Hegner
 

01   Meie, dîn liehter schîn (Neidhart von Reuental, ca.1180-ca.1240)
ENSEMBLE UNICORN

 

Meie, dîn      liehter schîn

und diu kleinen vogelîn

bringent fröuden vollen schrîn,

daz si willekomen sîn! –

ich bin an den fröuden mîn

mit der werlde kranc.

Alle tage      ist mîn klage,

von der ich daz beste sage

unde ir holdez herze trage,

daz ich der niht wol behage.

von den schulden ich verzage,

daz mir nie gelanc,

alsô noch genuogen an ir dienest ist gelungen,

die nâch guoter wîbe lône höveschlîchen rungen.

nu hân ich beidiu umbe sust gedienet und gesungen.

 

Lieben wân,      den ich hân,

gein der lieben wolgetân,

der ist immer unverlân

unde enkan noch niht vervân.

sol diu guote mich vergân,

sanfter waere ich tôt.

Ich was ie,      swiez ergie,

sît daz ich ir künde vie,

in ir dienste, des si nie

selten mich geniezen lie,

dort und etewenne hie,

swie sie mir gebôt.

Sol ich dienen und des âne lôn von ir belîben,

so ist des übelen mêre danne des guoten an den wîben –

von dem gelouben möhte mich ein keiser niht vertrîben!

 

Ungemach      mir geschach,

do ich von êrste ein wîp ersach,

der man ie daz beste sprach

unde ir guoter dinge jach,

diu ir kiusche nie zerbrach

unde ir hövescheit.

Ist mîn hâr      grîsgevar,

daz kumt von ir schulden gar:

ir vil liehten ougen klâr

nement mîn vil kleine war,

sô diu mînen blickent dar

âne kunterfeit.

Wolte sî mit einem gên den mînen beiden zwieren!

minne, diu gebiutet, daz diu ougen scharmezieren,

liebe zwischen wîben unde mannen underwieren.

 

Hôchgemuot,      dar zuo fruot

ist an jungem manne guot,

der vor schanden ist behuot

und daz beste gerne tuot:

den begiuzet saelden fluot,

minnet werdiu wîp.

Fürhtet scham –      wîbes nam,

der enwirt dir nimmer gram –

ist er guoten wîben zam.

Ist sîn zunge an schelten lam,

so ist er aller tugende stam,

saelic sî sîn lîp!

Der daz lop behalte, der ist âne missewende.

aller saelden saelic muoz er sîn unz an sîn ende.

diu liet ich der werlde zeiner bezzerunge sende.

 

 Mai, Dein heller Sonnenschein

und die kleinen Vögelein,

so ein rechter Wonnenschrein,

sollen sie willkommen sein! –

Ich lieg, was Freude anbelangt,

quer mit der ganzen Welt.

Alle Tage meine Klage:

Von der ich das Beste sage

und sie treu im Herzen trage,

der gefall ich nicht.

Ich verliere schier den Mut,

dass mir nie gelang,

was doch sonst so vielen schon mit ihrem Dienst gelungen,

die um den Lohn edelster Damen ritterlich gerungen –

ich hab immer ganz umsonst gedient und gesungen.

 

Süße Hoffnung, die ich hege

für die schöne Liebste,

geb ich dennoch niemals auf,

bringt's mir auch nichts ein.

Wenn die Schöne mich verschmähte,

wär ich lieber tot.

Immer war ich, wie's auch kam,

seit ich von ihr Kunde hab,

ihr zu Diensten, was sie nie

jemals mir vergolten hat –

hier und dort und überall,

grad wie sie's befahl.

Soll ich dienen und dafür keinen Lohn von ihr erwerben,

ist des Schlechten mehr wohl als des Guten an den Frauen –

diese Lehre könnt' mir dann kein Kaiser mehr verbieten!

 

Schmerz und Kummer folgen mir,

seit ich diese Frau erblickte,

von der man je das Beste sprach

und ihr nur Gutes zugestand –

die ihre Keuschheit nie verlor

und ihre feine Art.

Ist mein Haar grau gefärbt,

so ist das gänzlich ihre Schuld:

Ihre Augen, hell und klar,

nehmen mich kein bisschen wahr,

wenn die meinen zu ihr blicken

ohne falschen Sinn.

Wollte sie mit einem Auge nur zu meinen beiden blinzeln!

Minne will doch, dass die Augen wie mit Pfeilen sich beschießen,

Liebe zwischen Mann und Frau kunstvoll zu verbinden.

 

Klug und edel, froh und stolz,

das steht einem jungen Mann,

der vor Schande sich bewahrt

und das Beste gerne tut:

Den, der edlen Damen dient,

begießt das Glück in Strömen.

Scheut er Schmach –

keine Frau wird dir dafür böse sein –

ist er guten Frauen zahm.

Kommt dabei kein böses Wort über seine Zunge,

so ist er aller Tugend Quell,

gesegnet soll er sein!

Der sich dieses Lob bewahrt, kommt nicht vom Wege ab.

Allen Glückes selig wird er sein bis an sein Ende. –

Diese Strophe sende ich der Welt zur Besserung!

 


02   En mai au douz tens nouvel (anonymes Trouvères-Lied, 13. Jh.)

WÜNNESPIL

En mai au douz tens nouvel,

que raverdissent prael,

oi sor un arbroisel

chanter le rosignolet.

Saderaladon, tan bon fet

dormir lez le buissonet.

 

Si com g'estoie pensi,

lez le buissonet m'assis,

un petit m'i endormi

au douz chant de l'oiselet.

Saderaladon, tan bon fet

dormir lez le buissonet.

 

Au resveillier que je fis,

a l'oiselet criai merci,

qu'il me doint joie de li,

s'en serai plus jolivet.

Saderaladon, tan bon fet

dormir lez le buissonet.

 

Et quan je fui sus levez,

ci commenz a citoler

et fis l'oiselet chanter

devant moi el praelet.

Saderaladon, tan bon fet

dormir lez le buissonet.

 

Li rossignolet disoit,

par un pou qu'il n'enrajoit

du grant duel, que il avoit,

que vilains l'avoit oi.

Saderaladon, tan bon fet

dormir lez le buissonet.

 


Im Mai, der süßen neuen Zeit,

wenn alle Wiesen grünen,

da hörte ich auf ihrem Zweig

der Nachtigall beim Singen zu.

Saderaladon, es ist so schön,

nah beim Gebüsch zu ruhn.

 

Wie ich so in Gedanken war,

ließ ich mich am Busche nieder

und schlief sogleich ein wenig ein,

während der Vogel lieblich sang.

Saderaladon, es ist so schön,

nah beim Gebüsch zu ruhn.

 

Als ich dann vom Schlaf erwachte,

rief ich dem Vogel meinen Dank entgegen,

da er mir eine Freude schenkte,

die mich für immer glücklich macht.

Saderaladon, es ist so schön,

nah beim Gebüsch zu ruhn.

 

Und als ich aufgestanden war,

spielte ich auf der Citole,

machte, dass der Vogel sang

und alle Wiesen um mich her.

Saderaladon, es ist so schön,

nah beim Gebüsch zu ruhn.

 

Die Nachtigall erzählte mir,

nur Weniges befreie sie

vom großen Schmerz, den sie erdulden muss,

wenn grobe Menschen ihren Liedern lauschen.

Saderaladon, es ist so schön,

nah beim Gebüsch zu ruhn.

 

 

03   Willekomen sî der sumer schoene (Brunwart von Augheim, Ende 13. Jh.)

HOLGER SCHÄFER
 

Willekomen sî der sumer schoene,

willekomen sî diu wunneclîche zît!

Ich hôrt aber kleiner vogelîn doene –

seht, wie heide und anger aber schône lît,

sît      der winter muoz dem sumer lâzen

sînen strît. seht, fröide ist ûf den strâzen,

die uns der vil wunneclîche meie gît.

 

Nieman dur sîn tugende mir daz verkêre,

ob ich aber singen muoz der frouwen mîn.

Des wil twingen mich diu süeze, hêre

und der lieben rosevarwes mündelîn.

Pîn      lîde ich von der vil minneclîche –

trôste mich diu reine, tugende rîche,

sô müezte aller mîner swaere ein ende sîn.

 

Sol ich niht den hôhen trôst erwerben,

sô bin ich an allen mînen fröiden tôt.

Lât si mich in ungenâden sterben?

ôwê, wie zimt daz ir süezen munde rôt!

Nôt      lîde ich von der vil minneclîche –

trôste mich diu reine, tugende rîche,

diu mir zeinem mâle ir lieblîch grüezen bôt!

 

Willkommen sei der schöne Sommer,

willkommen sei die wunderbare Zeit!

Ich hörte den Gesang der kleinen Vöglein wieder –

seht nur, wie herrlich Feld und Wiese vor uns liegen,

da der Winter nun den Sieg dem Sommer überlassen muss.

Freude herrscht auf allen Straßen,

die der wonnenreiche Mai uns schenkt.

 

Niemand soll es mir aufgrund seiner Moral verübeln,

wenn ich wiederum für meine Dame singe.

Denn dazu wird die Süße, Edle mich im Innern drängen

und der Liebsten rosenrotes Mündelein.

Schmerz erleid ich durch die Allerliebste –

würde mich die Reine, Tugendreiche trösten,

dann hätte all mein Leid ein Ende.

 

Wenn ich nicht diesen wunderbaren Trost erwerbe,

ist alle Freude, die ich habe, tot.

Lässt sie mich unbarmherzig sterben?

O weh, wie schickt sich das für ihren süßen roten Mund!

Not erleid ich durch die Allerliebste –

würde mich doch die Reine, Tugendreiche trösten,

die mir schon einmal ihren liebevollen Gruß gewährte!

 


04   Wer nû ze fröiden ist gezalt (Otto zum Turm, Ende 13. Jh.)

CHRISTOPH MÄCHLER
 

Wer nû ze fröiden ist gezalt,

der wirt gewert,      wes er begert

von des liechten meien zît.

zergangen ist des winters nît

gar âne strît:      diu heidiu lît

in bernder blüete wol bedacht.

 

Mit grüenem loube stêt der walt

bekleidet wol,      recht als er sol

gên der wunne gesten sich

in manger hande varwe rîch.

so hügelîch      gediuhte mich

nie der kleinen vogel bracht.

 

Hât der minne sloz gewalt,

davon sîn gruoz      mir taete buoz

angestlîcher arebeit,

diu mich machet ungemeit.

diu Minne sneit      mir sorgen kleit,

diu machent mich vil senden alt.

ach, saelic wîp,      dur dînen lîp

in selche wât      gebrisen hât

dô dîn zartes mündel rôt,

dô muoz ich tragen sende nôt.

 

 

Wer sich nun einreiht in den Kreis der Freuden,

dem wird gewährt, was er begehrt

von der hellen Maienzeit.

Kampflos hat der Winter aufgegeben:

Die Heide ist so reich bedeckt

von Blüten, die aus ihr entsprungen sind.

 

In grünes Laub hat sich der Wald gekleidet,

so schön er sich nur

angesichts der Wonne schmücken kann

mit vielerlei prächtigen Farben.

So froh und munter schien mir nie

das Lärmen kleiner Vögel.

 

Wenn das Band der Liebe Macht besitzt,

dann würde mich ein Gruß

von angstvoller Not befreien,

die mich bedrückt.

Die Minne legte mir ein Kleid von Sorgen an,

das lässt mich nun vor Sehnsucht alt und grau erscheinen.


Ach, Du wunderbare Frau,

Dein zartes rotes Mündlein

hat mich in solch Gewand geschnürt,

jetzt muss ich sehnsuchtsvollen Schmerz erleiden.



05   Durch den ermel gât daz loch (
Neidhart von Reuental, ca.1180-ca.1240)

OLAF CASALICH
 

"Fröut iuch, junc und alt!

der mei mit gewalt

winder hât verdrungen,

bluomen sint entsprungen.

Wie schôn diu nahtegal

ûf dem rîse      ir süeze wîse

singet wünneclîchen schal!

 

Walt nu schône loubet.

mîn muoter niht geloubet,

der joch mit einem seile",

sô sprach ein maget geile,

"mir bunde einen fuoz –

mit den kinden      zuo der linden

ûf den anger ich doch muoz."

 

Daz gehôrte ir muoter:

"jâ swinge ich dir daz fuoter

mit stecken umbe den rugge,

vil kleine grasemugge!

Wâ wilt du hüpfen hin

ab dem neste?      sitze und beste

mir den ermel wider in!"

 

"Muoter, mit dem stecken

sol man die runzen recken

den alten als eim sumber!

noch hiuwer sît ir tumber,

dan ir von sprunge vart:

ir sît tôt      vil kleiner nôt,

ist iu der ermel abe gezart."

 

Ûf spranc sî vil snelle. –

"der tievel ûz dir belle!

Ich wil mich dîn verzîhen,

dû wilt vil übel gedîhen!" –

"Muoter, ich lebe iedoch,

swie iu troume.     bî dem soume

durch den ermel gât daz loch."

 

"Freut euch, jung und alt!

Der Mai hat mit Macht

den Winter verjagt,

und Blumen erblühen.

Wie schön die Nachtigall

auf dem Zweig ihr süßes Lied singt –

welch wunderbarer Klang!

 

Der Wald schmückt sich mit Laub.

Und meine Mutter sieht nicht ein,

dass selbst wenn jemand mir mit einem Seil

den Fuß festbinden würde –

ich müsste doch mit meinen Freundinnen hinaus

zur Linde auf dem Anger tanzen gehen." –

So sprach ein fröhliches Mädchen.

 

Das hörte ihre Mutter:

"Dir dresch ich noch den Hafer

überm Rücken mit dem Stock,

du kleine Grasmücke!

Wo willst du denn hinhüpfen

aus deinem Nest? – Setz dich und nähe mir

den Ärmel wieder an!"

 

"Mutter, mit dem Stock

soll man den Alten

die Runzeln glätten wie 'ner Trommel!

Ihr werdet immer dümmer

von Jahr zu Jahr,

seid halb tot für nichts und wieder nichts,

weil Euch nur mal der Ärmel abgerissen ist."

 

Schnell sprang sie auf. –

"Der Teufel soll nur aus dir brüllen!

Ich will dich hier nicht mehr sehen,

dir wird es noch schlecht ergehen!" –

"Mutter, ich jedenfalls lebe,

während Ihr nur noch träumt.

Direkt am Saum geht das Loch mitten durch den Ärmel!"

 

 

06   Der walt unde anger (Wizlaw von Rügen, ca.1265-1325)

JOCHEN FAULHAMMER
 

Der walt unde anger lit gebreit

mit wunnenricher varwen kleit,

reit      sint der süezen vogelin doene.

Se üeben eren süezen schal

vrolichem herzen überal,

mal      ich des vinde an blomen schoene:

Ho,      vro,      so      stet des meien blüete –

güete      süete

ich merke vroiden vol in anger und uf alben

witinthalben.

 

An dem anger vil wunnen lit,

so iz got den planeten git –

sit      wart uns wunnentougen blicke.

Nu se sint sorgen leitvürtrip,

ich meine reine, schoene wip –

lip      het ich nicht, enraeten se dicke.

Wan     san      han      ich der vrouwe mine:

schine     dine

süeze an mir, minnen spegel, laz mich nicht vürterben,

ich muoz sterben!

 

Minne, dir güete ist also vil –

ich waere tot über lange wil,

spil      bist du an mir, vrouwe reine.

Du bist, de mich so wol vürmach,

tuo mir vroiden trostlichen tach,

ach,      so ist min sorge an mir kleine!

Snel,      hel,      gel      schrig ich dinen namen,

samen      ramen

kan ich nicht mer mines kummers leitvürtrip –

Wizlaw, diz schrip!

 

Wald und Wiese liegen vor uns ausgebreitet

in einem Kleid aus wunderbaren Farben,

auch der Gesang der lieben Vöglein ist zur Stelle.

Sie lassen ihre süßen Lieder

mit frohem Herzen überall erklingen,

und schöne Blumen geben mir ein Zeichen:

Froh und prächtig steht der Mai in Blüte –

vollkommene Schönheit

erfreut mich weit und breit

auf Wiesen und Weiden.

 

Die Wiese zeigt uns alle Freude,

wie Gott sie den Planeten schenkt –

seitdem erfreuen uns die heimlich verliebten Blicke.

Jetzt vertreiben sie uns alle Sorgen,

die reinen, schönen Frauen, an die ich denke –

mein Leben hätt' ich längst nicht mehr, wenn sie mich nicht erretten würden.

Und neue Hoffnung habe ich sogleich auf meine Dame:

Wenn das Licht Deiner Lieblichkeit nur auf mich fiele,

Spiegel meiner Liebe! –  Doch lass mich nicht verbrennen,

sonst muss ich sterben.

 

Minne, Du bist so vollkommen gut –

ich wäre ja schon lange tot,

edle Herrin, doch Du bist meine ganze Lust.

Du kannst mir so viel Schönes schenken,

gewähre mir den Tag trostreicher Freude,

ach, dann ist mein Leid dahin!

Laut, hell und kräftig ruf ich Deinen Namen,

anders kann ich meinen Kummer

nicht vertreiben –

Wizlaw, schreibe dies!

 


07   Stille swîgen (Conrad von Bickenbach, Mitte 13. Jh.)

FRANK WUNDERLICH
 

Stille swîgen und gedaget,

daz ist nû der beste site.

wan wer sich vil rüemt und saget,

zwâr, der leidet sich dar mite.

Sicherlîch er wird ze swach,

er sî ritter oder kneht.

solcher man, der tuot niht reht,

der vil sagt, daz nie beschach.

Wer sich wel lieben reinen wîben,

der hab sî in staeter huot,

beschiht eim man dan iht zuo guot,

daz kan im leit vertrîben.

 

Manger spricht, er sî gelegen

bî herzliebe dic und dic,

und hab ouch die liebe pflegen,

mund an munde, blic an blic.

Leider des enpfant ich nie,

ez geschiht, dâ ez geschehen sol.

mir ist am gedenken wol,

kus von lieb ich nie enpfie.

Wer sich wel lieben reinen wîben,

der hab sî in staeter huot,

beschiht eim man dan iht zuo guot,

daz kan im leit vertrîben.

 

Swig ich zuo der liebe guot,

hei, so waer ich gar ein helt.

sie kumt mir selten ûz dem muot,

die ich ze trôst hab ûz erwelt.

Sî ist bî reinen wîben kluoc,

die ich mit ganzen triuwen minn,

mîns herzen trût, mîn keiserin,

waer sî mir holt, ich het genuoc.

Wer sich wel lieben reinen wîben,

der hab sî in staeter huot,

beschiht eim man dan iht zuo guot,

daz kan im leit vertrîben.

 


Stille schweigen statt zu reden,

das ist wohl die beste Art.

Wer sich brüstet und viel sagt,

schadet wahrlich nur sich selbst

und wird letztlich klein und schwach,

sei er Ritter oder Knecht.

Ein solcher Mann verhält sich falsch,

der vieles sagt, was nie geschah.

Wer edlen Frauen lieb sein will,

der gebe ständig auf sie Acht –

wenn ihm dann Gutes widerfährt,

das wird ihm Leid vertreiben.

 

Manch einer sagt, er hätt' geschlafen

bei der Liebsten noch und noch,

hätt' sich der Liebe hingegeben

Mund an Munde, Blick an Blick.

Leider hab ich's nie erlebt,

es geschieht, wenn es geschehen soll.

Mir ist beim Denken daran wohl,

der Liebsten Kuss empfing ich nie.

Wer edlen Frauen lieb sein will,

der gebe ständig auf sie Acht –

wenn ihm dann Gutes widerfährt,

das wird ihm Leid vertreiben.

 

Schwieg' ich vor der Liebsten recht,

hei, so wär ich wohl ein Held.

Sie geht mir nie aus meinem Sinn,

die ich zum Trost mir auserwählt.

Sie ist die klügste aller edlen Frauen,

die ich mit ganzer Treue liebe,

meins Herzens Schatz und meine Kaiserin –

nähm sie mich an, so hätte ich genug.

Wer edlen Frauen lieb sein will,

der gebe ständig auf sie Acht –

wenn ihm dann Gutes widerfährt,

das wird ihm Leid vertreiben.

 


08   Bluomen rôt (König Konrad der Junge, 1252-1268)

ESTAMPIE
 

Ich fröuwe mich manger bluomen rôt,

die uns der meie bringen wil.

Die stuonden ê in grôzer nôt,

der winter tet in leides vil.

Der meie wils uns ergetzen wol

mit mangem wünneclîchen tage,

des ist diu welt gar fröiden vol.

 

Waz hilfet mich diu sumerzît

und die vil liehten langen tage?

Mîn trôst an einer frouwen lît,

von der ich grôzen kumber trage.

Wil sî mir geben hôhen muot,

dâ tuot si tugentlîchen an,

und daz mîn fröide wirdet guot.

 

Swanne ich mich von der lieben scheide,

sô muoz mîn fröide ein ende hân.

Owê, sô stirbe ich lîht von leide,

daz ich es ie mit ir began.

Ich enweiz niht, frou, waz minne sint –

mich lât diu liebe engelten vil,

daz ich der jâre bin ein kint.

 

 

Ich freu mich auf die vielen roten Blumen,

die uns der Mai nun schenken will.

Sie litten bislang große Not,

der Winter brachte ihnen Leid.

Der Mai will uns dafür entschädigen

mit vielen wunderschönen Tagen,

darüber ist die Welt voll Glück.

 

Doch was hilft mir die Sommerzeit

und ihre langen, hellen Tage?

Mein Trost hängt ganz an einer Frau,

durch die ich großen Kummer trage.

Schenkt sie mir stolzen, frohen Mut,

handelt sie edel und gerecht,

auf dass mein Glück vollkommen wird.

 

Wenn ich mich von der Liebsten trennen muss,

wird auch mein Glück zu Ende sein.

O weh, dann sterbe ich vor Schmerz,

dass ich sie jemals kennen lernte!

Ich weiß nicht, Dame, was Minne ist –

die Liebe lässt es teuer mich bezahlen,

dass ich an Jahren bin ein Kind.

 


09   Die Erde ist erschlossen (Wizlaw von Rügen, ca.1265-1325)

MUSIKTHEATER DINGO
 

Die Erde ist erschlossen,

die Blumen sind gesprossen,

ab heute wird genossen,

nichts wird bleiben wie vorher.

Die Vöglein wollen singen,

den Winter ganz bezwingen,

ihr Lied kann fröhlich klingen,

sie sind doch ihr eigner Herr.

Die Kälte ist verschwunden,

der Mai hat uns gefunden.

Jetzt wolln wir Kränze binden,

Winter muss verschwinden,

Sommer soll uns finden.
(Nhd. Nachdichtung: Lothar Jahn)

 

 
De erde ist untslozen,

de blomen sint untsprozen –

der müghe wir nu nozen

unsen bosem vol als er.

De voghelin lute schrighen

in velde und uf den zwighen,

se en achten keines snighen,

se sint eres selbes her.

De kulde ist vürswunden,

de meien han wir vunden

vrolich in meien bluote.

winder, dich vürhuote:

der summer kumpt zuo muote!

 

 

Die Erde hat sich aufgeschlossen,

Blumen sind hervorgesprossen –

an ihnen können wir wie früher

unser Herz erfreuen.

Die Vöglein singen laut und hell

auf dem Feld und in den Zweigen,

sorgen sich nicht mehr um den Schnee

und sind mit ihrem Leben froh.

Die Kälte ist verschwunden,

den Mai haben wir gefunden

fröhlich in seiner Blütenpracht.

Winter, pass auf:

Der Sommer sammelt seine Kraft!

 

 
10   Nun dann, Herr Maie (Wizlaw von Rügen, ca.1265-1325)

REINHOLD SCHMIDT
 

Nun dann, Herr Maie, nehmt meine Huld entgegen,

denn meine Frau erscheint im schönsten Glanze.

Ihr Schmuck, ihr Kleid, ihr Leib – ist’s nicht ein Segen?

Ein böser Winter, der verbarg das Ganze!

So wird’s nicht länger sein,

mein Weib macht sich nun fein,

sie tritt heran,

als ob sie spräche: “Seht mich an,

ihr Jungfern, Frau und Mann!”

 

Sie soll’s nur hören: Ich lob froh den Maien,

doch noch mehr Lob, das soll doch ihr gebühren.

Ich werd in Demut ihr mein Lied nun weihen,

ihr helles Licht soll mich zur Sonne führen.

Sie ist mein höchster Lohn,

gesandt vom Himmelsthron.

Was sie auch tat,

alles war stets voll Güt’ und Gnad' –

lobt sie wie ich, das ist mein Rat!

 

Seh ich die Gute durch all dies Lob gestärket,

werd ich euch nun auch meine Wünsche sagen,

die sie, das darf ich hoffen, längst bemerket,

weil sie so nah bei ihren Wünschen lagen.

Ach, wenn ich sie nur hätt'

endlich in meinem Bett,

ganz, ganz nah,

hört’ ich von ihr ein lieblich: “Ja!

Mach bitte weiter, ja, da! Ah, aaah!”
(Nhd. Nachdichtung: Lothar Jahn)

 

 

Wol dan, her Meie, ich ghebe uch des de hulde,

min vrouwe tret da her in stolzer wete.

Ir smit, ir kleit, ir lip, daz lach in dulde,

de kalde sne und is, der wint daz tete.

Untslozen sint de schrin,

min vrouwe machet sich fin.

Se trat hin dan,

als ob se spreche: "set mich an,

ir meghede, wip und man!"

 

Min vrouwe weiz, daz ich lobe den meie,

noch leber ist mich, wenne ich von ir hoere.

Diz machet, daz ir ghüete ist manigherleie,

under tusent vrouwen het ich ir koere.

Min vrouwe ist so schon,

daz under himele tron

nie wart, de tat

de ghüete, de se an ir hat –

lobet se, daz ist min rat!

 

Seghe ich de ghuoten nach mime willen strenghet,

durch daz lez ich de wünsche vore varen:

Würde min wille mit irme willen menghet,

an einem bette uns zuo samende scharen.

Lichte iz al so gat,

daz se des nicht enlat.

Iz ist so na,

von ir wart mir ein leplich "ja" –

daz vinde ich aber al da – a – a.

 


Wohlan, Her Mai, ich halte Euch die Treue,

denn meine Dame kommt daher in prächtigem Gewand.

Ihr Schmuck, die Kleider und ihr schöner Leib

mussten sich so lang gedulden,

das haben Eis und Schnee und kalter Wind getan.

Nun sind die Truhen aufgeschlossen,

und meine Dame macht sich fein.

Sie trat hervor, als ob sie spräche: "Seht mich an,

ihr Mädchen, Frauen und Männer!"

 

Meine Dame weiß, dass, wenn ich auch den Mai besinge,

mir doch am liebsten ist, von ihr zu hören.

Die Vielfalt ihrer guten Eigenschaften ist so groß,

wohl unter tausend Damen hätt' ich sie erwählt.

Meine Dame ist so schön,

unter dem Himmelsthron

ist keine, die ihr gleicht –

drum lobt auch ihr sie,

rat ich euch!

 

Wenn ich nur sähe,

dass sie sich nach meinem Willen zäumen ließe,

da würden meine Wünsche mit ihr losreiten –

und wenn dann unser beider Wille sich vereinte,

endlich in einem Bett beisammen liegen.

Gut möglich, dass sie's dazu kommen lässt:

Es ist bereits zum Greifen nah.

Ein liebevolles "Ja", das hab ich schon von ihr –

dort will ich's wiederfinden. Ah!

 

 

11   Tempus est iocundum (Carmina Burana, 13. Jh.)

MARCUS VAN LANGEN
 

Tempus est iocundum, o virgines!

modo congaudete, vos iuvenes!

O, o, totus floreo,

iam amore virginali totus ardeo –

novus, novus amor est, quod pereo.

 

Sile, philomena, pro tempore!

surge, cantilena, de pectore!

O, o, totus floreo,

iam amore virginali totus ardeo –

novus, novus amor est, quod pereo.

 

Veni, domicella, cum gaudio!

veni, veni, pulchra, iam pereo!

O, o, totus floreo,

iam amore virginali totus ardeo –

novus, novus amor est, quod pereo.

 

Tempus est iocundum, o virgines!

modo congaudete, vos iuvenes!

O, o, totus floreo,

iam amore virginali totus ardeo –

novus, novus amor est, quod pereo.

 

 

Es ist Zeit zum Flirten, o ihr Mädchen!

Freut euch nur mit uns, ihr Jungen!

Oh, oh, ganz bin ich erblüht,

schon bin ich in Liebe für ein Mädchen voll entflammt –

eine neue, neue Liebe ist's, die mich verzehrt.

 

Schweig, Nachtigall, für eine kleine Weile!

Erhebe dich, Gesang, aus meiner Brust!

Oh, oh, ganz bin ich erblüht,

schon bin ich in Liebe für ein Mädchen voll entflammt –

eine neue, neue Liebe ist's, die mich verzehrt.

 

Komm, junges Fräulein, komm mit Freude!

Komm, Du Schöne, ich schmelze schon dahin!

Oh, oh, ganz bin ich erblüht,

schon bin ich in Liebe für ein Mädchen voll entflammt –

eine neue, neue Liebe ist's, die mich verzehrt.

 

Es ist Zeit zum Flirten, o ihr Mädchen!

Freut euch nur mit uns, ihr Jungen!

Oh, oh, ganz bin ich erblüht,

schon bin ich in Liebe für ein Mädchen voll entflammt –

eine neue, neue Liebe ist's, die mich verzehrt.

 


12   Traege Minne (Schulmeister von Esslingen, um 1250)

THOMAS SCHALLABÖCK
 

Ich bin an minnen worden laz,

dar umbe tragent schône frouwen mir ir haz.

nu tete ich gerne, und möhte ich, baz –

den willen het ich an dem herzen wol!

Nu hab ich einen friunt, der lît:

die wîl der stuont, dô hât ich niht der frouwen nît.

nu lât er mich ze unrehter zît,

er stilt sich einhalb ab, sô er vehten sol.

Sîn hôher muot, der ist gelegen,

er wil ouch niht mê sîn ein degen.

möhte ich nu wîn      und guote spîse hân,

sô wolt ich doch niht abe lân,

ich sunge ein liet der lieben frouwen mîn.

 


Ich bin in der Minne schlapp geworden,

das nehmen schöne Damen mir sehr übel.

Nun tät ich's gerne besser, wenn ich könnte –

den Wunsch dazu hätt' ich im Herzen wohl!

Doch hab ich einen Freund, der liegt:

als der noch stand, traf mich noch nicht der Damen Zorn.

Jetzt lässt er mich zur falschen Zeit im Stich,

stiehlt sich seitwärts von dannen, wenn er fechten soll.

Sein stolzer Mut liegt ihm danieder,

er will auch gar kein Held mehr sein.

Könnt' ich aber Wein und gutes Essen haben,

so wollte ich es doch nicht lassen

und ein Lied für meine liebe Dame singen.

 

 

13   Maienzît (Neidhart von Reuental (ca.1180-ca.1240)

CAPELLA ANTIQUA BAMBERGENSIS
 

Maienzît      âne nît

fröuden gît      wider strît –

sîn widerkomen kan uns allen helfen.

Ûf dem plân      âne wân

siht man stân      wolgetân

liehtiu brûniu blüemel bî den gelfen.

Durch daz gras sint sî schôn ûf gedrungen,

und der walt      manecvalt

ungezalt      ist erschalt,

daz êr wart mit dem nie baz gesungen.

 

Ich süng nit      nâch ir sit,

hete ich frid,      des ich bit,

ob mir ieman koeme dran ze trôste.

Ich bin verzeit,      mîniu leit

unverjeit      sint sô breit –

ich naeme ez noch, swer mich dâ von erlôste.

Liebes blic, der kan mich schicken wilde.

ez ist mîn klage      alle tage

und gedage      als ein zage.

liebes blic, lâz mich bî blickes bilde!

 

Grôze nôt      mir erbôt,

der mir drôt      ûf den tôt,

daz ist Hildebolt von Bernriute.

Irenfrit      und der smit

werden glit      an eim wit,

daz si mit gemache lân die liute!

Berewîn, den mac nieman überhiuzen. –

Amelolt,      Berenbolt

hânt verscholt    daz man solt

über mich gegeben hât ze Priuzen!

 


Maienzeit schenkt Freuden,

die im Wettstreit ohne Bosheit sind –

ihr Wiederkommen kann uns allen helfen.

Auf der Wiese sieht man stehen

wahrhaftig und hübsch anzusehen

leuchtend violette Blümlein neben gelben.

Durch das Gras sind sie hervorgesprossen,

und der Wald von einer Vielzahl

Stimmen ist erfüllt,

dass nie vorher in ihm so schön gesungen wurde.

 

Ich würde nicht nach Art der Vögel singen,

wenn ich meinen Frieden hätte –

daher bitte ich, dass jemand mir zu Hilfe kommt.

Mir sinkt der Mut, und meine Leiden sind so groß,

wenn sie nicht vertrieben werden –

ich nähm es gerne an, wenn jemand mich davon befreit.

Der Blick meiner Geliebten schickt mich in die Wüste,

das muss ich klagen jeden Tag,

doch schweig ich wie ein feiger Wicht.

Ach, meiner Liebsten Blick, lass mich in Dir verweilen!

 

Mir bereitet große Not,

der mich auf den Tod bedroht,

das ist Hildebold aus Bernreit.

Irenfried und der Schmied

sollten baumeln an 'nem Strick,

dass sie die Leute endlich mal in Ruhe lassen!

Bärwin kann an Frechheit keiner überbieten. –

Amelold, Bärenbold,

diese beiden haben Schuld,

dass man Kopfgeld zahlen will für mich in Preußen!

 

 

14   Neidhart im Fass (Neidhart von Reuental (ca.1180-ca.1240)

HANS HEGNER
 

Willekomen, meien schîn,

wer kan uns ergetzen dîn!

sît du kanst vertrîben pîn,

daz seit uns wîsiu diet.

Winder, der ist hie gelegen

ûf dem velde und in den wegen –

willeclîch gap er den segen,

dô er von hinnen schiet.

Nû wil Meie uns heide aber êren

und diu kleinen vogellîn ir süezen stimmen lêren,

daz sî gar balde in dem walde niuwen sanc gemêren.

 

Wâ sint nû die jungen liut,

die treten nâch der gîgen?

die gên dâ hin gein Zeisenmûr,

da ist ein gelopter tanz.

Dâ gênt zwên in einer hiut,

die hoeret nieman swîgen!

si sint mit lûter stimme sûr,

ietweder treit ein kranz,

dem die bluomen sint gel unde brûne.

her Engelmâr, der wil sich setzen hiut gein Friderûne

mit einem niuwen reigen, dar an gât manc Walberûne!

 

Sô hânt sich gesament her

mägede mêr dan hundert,

si welnt sich ûf dem anger weten

ze einer niuwen schar. –

Von Botenbrunnen Irenber,

des samenung mich wundert,

der wil wol ze helfe treten

vetern Engelmâr.

Mit dem loufet Liutwîn und zwên Vellen,

Eppe, Leppe, Reppe, Steppe, daz sint vier gesellen,

mit den komt Lenk und Wenk und Schrenk und ouch drî junge Krellen.

 

Sô komt Rumpolt, Gumpolt, Krumpolt,

Berhtram, Gôze, Sigelolt,

Engeldîch und Amelolt

und jener Engelram.

Baldentrit und Irenfrit,

Roswîn, Gôzwîn und der smit,

die hânt alle dörpersit,

dar umb bin ich in gram.

Sô komt Hildmâr und sîn bruoder Ranze,

Etzel, Wetzel, Betzel, Bretzel und der junge Lanze –

die siht man besunder gân gein Zeisenmûr zem tanze.

 

Dô lac ich in dem vazze gesmogen

nâhe bî dem wîne,

dô sich huop ein zweien,

dâ ein schedelîn geschach:

Her Engelmâr wart sêre betrogen

von den genôzen sîne –

oberhalp des meien

er Friderûn den spiegel brach.

Dô sich huop ein limmen und ein kelzen –

dô sach ich zwô niuwe klingen mit zwein waehen helzen,

mit den sô wart her Engelmâr geriht ûf eine stelzen.

 

Holerswam und Betzeman,

die wurden sêre verhouwen

dar umbe gaebe ich niht ein ort,

würden si gar erslagen!

Ich beit niht mêr, dô huop her Ber

ein schumpfieren vor frouwen –

sâ zehant hôrt ich ein wort,

des muoste ich gar verzagen.

Erkenbolt rief oben in der gazze:

"ir herren, wert mir immer holt, her Nîthart ligt im vazze!" –

wie balde ich flôch die oeden gouch, sô got si immer hazze!

 


Sei willkommen, lieber Mai

mit Deinem hellen Sonnenschein,

wer könnte Dich ersetzen!

Du kannst uns alle Not vertreiben,

das sagen kluge Leute.

Der Winter hat hier noch gelegen

auf dem Feld und auf den Wegen –

gerne gab er seinen Segen,

als er Abschied nahm.

Nun will der Mai die Heide wieder ehren

und den kleinen Vöglein ihre süßen Stimmen lehren,

dass sie schon bald im Wald neuen Gesang vermehren.

 

Wo sind nun die jungen Leute,

die zur Fidel tanzen?

Die gehen hin nach Zeiselmauer,

da ist versprochner Tanz.

Dort laufen zwei im Lederhemd,

die hört wohl niemand schweigen!

Mit lauter Stimme schneiden sie ins Ohr,

und jeder trägt ´nen Kranz

von gelben und auch violetten Blumen. –

Herr Engelmar, der legt sich heute noch mit Friederune an:

will einen neuen Reigen führen – da tanzen alle Bauernseppel mit!

 

Dort haben sich auch eingefunden

mehr als hundert Mädchen,

wollen sich zusammentun zu einer neuen Schar. –

Irenbär aus Pottenbrunn,

sein Aufgebot verwundert mich,

er wird wohl gleich zu Hilfe springen

Vettern Engelmar.

Mit ihm laufen Leutwin und zwei Kerls in Fellen,

Eppe, Leppe, Reppe, Steppe – das sind vier Spießgesellen!

Dazu kommt Lenk und Wenk und Schrenk und die drei jungen Krellen.

 

So kommen Rumpold, Gumpold, Krummpold,

Berchtram, Gosse, Siegelold,

Engelbein und Amelold

und jener Engelram.

Baldentritt und Irenfried,

Rosswin, Gosswin und der Schmied,

die haben alle Bauernsitt’,

drum bin ich ihnen gram.

So kommt Hildmar und sein Bruder Ranze,

Etzel, Wetzel, Betzel, Bretzel und der junge Lanze –

die sieht man etwas abseits gehn nach Zeiselmauer zum Tanze.

 

Da hielt ich mich im Fass versteckt,

immerhin nah beim Wein –

als man in Paaren tanzen wollte,

gab’s ein kleines Missgeschick:

Herr Engelmar wurde im Stich gelassen

von seinen Kampfesbrüdern –

hinter ihrem Maienstrauß

zerstieß er Friederun den Spiegel.

Da begann ein Kreischen und Geschrei –

jetzt sah ich zwei neue Klingen mit verzierten Griffen,

durch diese kam Herr Engelmar dann zu seinem Holzbein.

 

Hohlerschwamm und Betzemann,

die wurden sehr verhauen –

nicht einen Pfennig gäb ich drum,

würden sie alle erschlagen!

Ich hielt’s kaum aus, da fing Herr Bär

vor Damen an zu fluchen –

in dem Moment hört' ich ein Wort,

das gab mir ganz den Rest.

Erkenbold rief oben in der Gasse:

„Ihr Herren, sagt mir, was ihr wollt, Herr Neidhart steckt im Fass!“ –

Wie schnell macht' ich mich aus dem Staub vor den verfluchten Deppen!

 


 

15   Stille swîgen und gedagt (Conrad von Bickenbach, Mitte 13. Jh.)

KNUD SECKEL
 

Stille swîgen und gedagt,

daz ist nû der beste site.

wan wer sich vil rüemt und sagt,

zwâr, der leidet sich dar mite.

Sicherlîch er wird ze swach,

er sî ritter oder kneht.

solcher man, der tuot niht reht,

der vil sagt, daz nie beschach.

Wer sich wel lieben reinen wîben,

der hab sî in staeter huot,

beschiht eim man dan iht zuo guot,

daz kan im leit vertrîben.

 

Manger spricht, er sî gelegen

bî herzliebe dic und dic,

und hab ouch liebe pflegen,

mund an munde, blic an blic.

Leider des enpfant ich nie,

ez geschiht, dâ ez geschehen sol.

mir ist am gedenken wol,

kus von lieb ich nie enpfie.

Wer sich wel lieben reinen wîben,

der hab sî in staeter huot,

beschiht eim man dan iht zuo guot,

daz kan im leit vertrîben.

 

Swig ich zuo der liebe guot,

hei, so waer ich gar ein helt.

sie kumt mir selten ûz dem muot,

die ich ze trôst hab ûz erwelt.

Sî ist bî reinen wîben kluoc,

die ich mit ganzen triuwen minn,

mîns herzen trût, mîn keiserin,

waer sî mir holt, ich het genuoc.

Wer sich wel lieben reinen wîben,

der hab sî in staeter huot,

beschiht eim man dan iht zuo guot,

daz kan im leit vertrîben.

 

Stille schweigen statt zu reden,

das ist wohl die beste Art.

Wer sich brüstet und viel sagt,

schadet wahrlich nur sich selbst

und wird letztlich klein und schwach,

sei er Ritter oder Knecht.

Ein solcher Mann verhält sich falsch,

der vieles sagt, was nie geschah.

Wer edlen Frauen lieb sein will,

der gebe ständig auf sie Acht –

wenn ihm dann Gutes widerfährt,

das wird ihm Leid vertreiben.

 

Manch einer sagt, er hätt' geschlafen

bei der Liebsten noch und noch,

hätt' sich der Liebe hingegeben

Mund an Munde, Blick an Blick.

Leider hab ich's nie erlebt,

es geschieht, wenn es geschehen soll.

Mir ist beim Denken daran wohl,

der Liebsten Kuss empfing ich nie.

Wer edlen Frauen lieb sein will,

der gebe ständig auf sie Acht –

wenn ihm dann Gutes widerfährt,

das wird ihm Leid vertreiben.

 

Schwieg' ich vor der Liebsten recht,

hei, so wär ich wohl ein Held.

Sie geht mir nie aus meinem Sinn,

die ich zum Trost mir auserwählt.

Sie ist die klügste aller edlen Frauen,

die ich mit ganzer Treue liebe,

meins Herzens Schatz und meine Kaiserin –

nähm sie mich an, so hätte ich genug.

Wer edlen Frauen lieb sein will,

der gebe ständig auf sie Acht –

wenn ihm dann Gutes widerfährt,

das wird ihm Leid vertreiben.

 

 

16   Meie dîn (instrumental) (Neidhart von Reuental, ca.1180-ca.1240)

 DULAMANS VRÖUDENTON

 

Anmerkung des Übersetzers:

Die Liedtexte und ihre Übersetzungen folgen weitgehend dem gesungenen Wortlaut der Interpreten und können daher von den handschriftlichen Quellen und germanistischen Editionen abweichen.