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MINNESANG AUS JAPAN Interview mit Rie Kosaka, Kandidatin beim 17. Falkensteiner Minneturnier ![]() Die ganz naheliegende Frage zuerst: Wie kommt man als japanische Musikerin dazu, sich mit deutschem Minnesang zu beschäftigen? Seit meiner ersten Begegnung mit mittelalterlicher Musik interessierte ich mich für die Musik der Troubadoure Südfrankreichs und der Trouvéres Nordfrankreichs, der sogenannten Minnesänger. Denn ich hatte das Gefühl, dass die gesprochene Sprache des Landes selbst in einer Melodie zum Ausdruck kam. Mich faszinierte die Vorstellung, dass ich, obwohl ich als Japaner im 21. Jahrhundert lebe und die alten europäischen Sprachen nicht spreche, durch die Sprache der Musik zu einem Menschen im mittelalterlichen Europa werden könnte. Es versteht sich von selbst, dass die Troubadourmusik Deutschland und andere benachbarte Länder und Regionen beeinflusst hat, aber für mich ist das Spielen des Minnesangs gleichbedeutend damit, das mittelalterliche Deutschland aus erster Hand zu erleben. Wie ist der Weg dorthin gewesen? In Japan werden mittelalterliche deutsche Werke im Vergleich zu französischen Troubadouren selten aufgeführt. Ich selbst habe nur wenige Stücke aufgeführt, wie zum Beispiel Walther von der Vogelweides „Unter den Linden“. Ich möchte dieses Turnier nutzen, um das mittelalterliche deutsche Repertoire zu erkunden! Was schätzt du besonders an Wizlaw? Wizlaws Lieder handeln vom edlen Thema der Minne, aber in der Liebe steckt auch Hoffnung, und ich glaube, der Reiz der Lieder liegt darin, dass wir Wizlaws Werte über Liebe und Natur darin lesen können. Welche Lieder wirst du darbieten, was bedeuten sie für dich persönlich? Wie findest du den Zugang dazu? Ich werde „Der Unghelarte“ und „Wol uph ir stolzen helde“ singen. Ersteres handelt davon, wie Minnesang komponiert und gesungen wird, und durch dieses Lied konnte ich etwas über die Ästhetik des Minnesangs lernen. Eine traurige Melodie, begleitet von einem süßen und leidenschaftlichen Text. Wenn ich es schön singen kann, bin ich ein vollwertiger Minnesänger! Letzteres ist ein Lied, dessen Thema der Monat Mai ist. In japanischen Haiku (kurzen Gedichten) werden Wörter verwendet, die die Jahreszeiten symbolisieren, genannt „Kigo“. Auch in der Poesie der Troubadoure wird der Mai als Kontrast zur Schönheit des Frühsommers dargestellt, wobei viele Werke von der Freude der Liebe singen. Wizlaws „Mai“ bildet da keine Ausnahme und ist ein Lied voller Freude und der Schönheit der Natur. Der Text enthält die Zeile „Singen und Tanzen bei Tag und Nacht …“, daher plane ich, es mit der Idee eines Tanzliedes im Hinterkopf aufzuführen. Warst du schon oft in Deutschland? Was gefällt dir hier besonders und was findest du seltsam? Meine Verbindung zu Deutschland: Ich war vor etwa 15 Jahren zweimal in Deutschland, um in St. Ottilien Gregorianischen Gesang zu studieren und eine CD aufzunehmen. Die Harfe, die ich beim Minne-Turnier spielen werde, wurde von Eric Kleinmann gebaut, der in Rangendingen lebt! Ich mag die ruhige Naturlandschaft in Deutschland und die vielen Burgen in den Ortsnamen, die einen an die alte Vergangenheit erinnern. Andererseits finde ich es seltsam, dass das Abendessen in Deutschland einfach ist. In Japan kochen wir herzhafte Gerichte. Ich esse vielleicht etwas Feines, während alle anderen nur ein leichtes Abendessen essen, also bitte verzeihen Sie mir! Welche Erwartungen und Hoffnungen hast du in bezug aufs Minneturnier? Ich freue mich sehr darauf, mit Minnesang-Liebhabern aufzutreten und Wizlaws Musik vielen Menschen näherzubringen. Ein Auftritt in einer Burg ist ein seltenes Erlebnis, das man in Japan nicht haben kann! Ich bin dankbar für diese wunderbare Gelegenheit, die mich sicherlich zu meinen zukünftigen Aufführungen mittelalterlicher Musik inspirieren wird. Rie Kosaka ist eine in Tokio lebende Sängerin und Harfenistin. Nach ihrem Studium der Alten Gesangsmusik am Trinity College of Music in London, England, schloss sie ein Masterstudium in Alter Harfe an der Guildhall School of Music and Drama ab. Derzeit leitet sie die Abteilung für mittelalterliche und Renaissance-Musik „TrouBour“ in Japan und ist als Solo- und Ensemblekünstlerin aktiv. Sie leitet auch ein mittelalterliches Harfenensemble und mittelalterliche Harfen-Workshops, um die mittelalterliche Harfe bekannter zu machen. Das Interview führte Dr. Lothar Jahn. Foto: Archiv www.minnesang.com |
NACH DER SEHNENDEN KLAGE WILL ICH SINGEN Dr. Lothar Jahn zum Minnesänger Wizlaw Auf der Suche nach Melodien des deutschen Minnesangs, die sehr rar gesät sind, stieß ich Anfang der Zweitausender Jahre in der Jenaer Liederhandschrift auf das wunderbare Werk des Sängers Wizlaw, der mit 14 Minneliedern und 13 Sangsprüchen überliefert ist. Bekannt bis heute ist vor allem das Herbstlied "Loybere risen", der "Smash Hit des 13. Jahrhunderts", wie Prof. Holznagel von der Universität Rostock humorvoll konstatiert. Selbst der italienische Popstar Angelo Branduardi hatte das Stück im Reperoire. Ich war sehr überrascht von der lyrischen Qualität der Texte und der Formenvielfalt der Melodien, die vom pentatonischen Lied mit großem Ambitus über eingängige Frühlingslieder bis hin zum Tagelied im altfranzösischen Stil und höchst artifiziellen melismatischem Gesang reicht. Da man die Entstehungszeit dieser Lieder aber erst um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert ansetzt, werden diese Melodien von Minnesang-Puristen meist einfach übergangen. Das ist traurig und ignorant! In der Forschung umstritten ist bis heute, ob der Sänger Wizlaw mit dem Fürsten Wizlaw III. identisch ist, der von 1265 - 1325 gelebt hat. Sein Vater, der das Fürstentum sehr lang regierte, überantwortete es im Jahr 1302 seinen beiden Söhnen Sambor und Wizlaw gemeinsam. Nach Sambors Tod 1304 bis zu seinem Lebensende regierte Wizlaw allein, eine von vielen kriegerischen Auseinandersetzungen geprägte, unruhige Zeit, die auch von Zwistigkeiten mit den immer selbstbewussteren aufstrebenden Städten (vor allem Stralsund) geprägt war. Für die Identität spricht, das Wizlaw sich selbst in einem Lied als "Wizlaw, der Junge" bezeichnet, eine Bezeichnung die der Minnesänger Frauenlob in einem Lobpreis für Wizlaw III. benutzte, da sein Vater ja den selben Namen trug. Auch die Bekanntschaft des Rügenfürsten mit einem Herrn von Holstein, dem nun wiederum der Sänger Wizlaw einen Lobpreis-Spruch zukommen ließ, spricht für die Identität. Auch die Entstehungszeit und das niederdeutsche sprachliche Idiom passen! Auf der anderen Seite sind die für fahrende Sänger typische Beschwörung der fürstlichen Großzügigkeit ("milte"), aber mehr noch die bei dichtenden Fürsten völlig ungewöhnliche dichterische und kompositorische Originalität und Kunstfertigkeit Argumente gegen eine Gleichsetzung der beiden Wizlaws. Der 700. Todestag von Wizlaw III. in diesem Jahr hat gleichwohl den erfreulichen Nebeneffekt, dass Wizlaws Lieder und Texte in diesem Jahr die Beachtung finden, die man ihnen sonst nicht zukommen lässt. Wir wollen mit dem 17. Minneturnier daran anknüpfen. In meiner Rahmenhandlung setzen ich, die skeptischen Historiker mögen das verzeihen, aus dramaturgischen Gründen die Identität der beiden Wizlaws voraus. Allen, die durch Förderung oder Mitwirkung das Minneturnier unterstützen, gilt mein höchster Dank! >> Dr. Lothar Jahn hat das Minneturnier entwickelt und ist von Anfang an Künstlerischer Leiter. Er ist auch Autor des Singspiels "Wizlaw, der Verführer" vom Musiktheater Dingo. >> Mehr zum aktuellen Minneturnier hier. >> Mehr zu Wizlaw hier. |