Immer,
wenn es galt, eine Frage im Zusammenhang mit der komplexen Materie
des Minnesangs zu klären und man nicht mehr weiter wusste, war er
die richtige Adresse: Es gab kaum ein Thema, das Prof. Dr. Ulrich
Müller im Laufe seines langen, arbeitsreichen Lebens nicht
bearbeitet hatte. Egal, ob es um den Sängerstreit auf
der Wartburg ging, um das Werk herausragender Minnesänger oder um die
richtige Aussprache, er hatte immer die passende Antwort. Und wenn er
wirklich einmal selbst an die Grenzen geriet, dann wusste er garantiert den
richtigen Ansprechpartner. Insofern ist sein Tod auch für
Minnesang.com ein schwerer Verlust.
Ulrich Müller wurde 1940 in Göppingen (Baden/Württemberg) geboren. Er studierte Germanistik, lateinische Philologie, Archäologie und Musikwissenschaft an der Universität Tübingen, wo er seine Dissertation über Oswald von Wolkenstein schrieb. 1971 folgte in Stuttgart seine Habilitation im Fach Deutsche Philologie, Thema war die politische Lyrik. Seit 1973 war er an der Universität Salzburg aktiv, zunächst als Gastdozent, später als Ordentlicher Professor (Ordinarius) für Deutsche Literatur des Mittelalters. 2008 wurde er emeritiert. Er war Mitbegründer des Mittelalter-Zentrums der Universität Salzburg und war stellvertretender Koordinator der mittelhochdeutschen Datenbank MHDBDB. Bis 2007 stand er der Oswald-von-Wolkenstein Gesellschaft vor.
Walther,
Neidhart, Oswald, die Carmina Burana , Michel Beheim, Wolfram von
Eschenbach und Hartmann von Aue - zu allen wichtigen Vertretern und
Themengebieten des Minnesangs und seiner verwandten Gebiete hatte er
Entscheidendes beizutragen, oft auch in Zusammenarbeit mit kompetenten
Kollegen. Er hat dem Praktiker durch gut lesbare Werk-Ausgaben Vieles
erleichtert, hat Hintergründe aufgedeckt und sich etwa in Fragen der Aussprache
auch einmal gegen gängige Konventionen gewendet. Legendär ist seine
Zusammenarbeit mit dem Sänger Eberhard Kummer, wodurch uns etwa eine
Gesamtaufnahme des Nibelungenliedes, des Wartburgkrieg-Fürstenlobs und
des Herzog-Ernst-Liedes vorliegen. Auch mit dem Salzburger Ensemble
"Dulamans Vröudenton" verband ihn eine lange und produktive
Freundschaft, er begleitete die Musizierpraxis des Ensembles als
kompetenter Berater und schrieb Booklet-Texte.
Nicht nur sein Fachwissen, auch seine sympathische, freundliche und
offene Art werden nicht nur seine Freunde vermissen. "Ein
faszinierender Mann und ein großer Impuls für unsere
Minne-Welt," nennt der Minnesang-Interpret Holger Schäfer aus
Göttingen ihn zurecht. Der Lautenist, Sänger und Musikwissenschaftler Marc
Lewon trauert: "Ein wahrhaft großer Mann ist gegangen. Ich danke Dir,
Uli, für Deine Freundschaft, Deinen fachmännischen Rat und Deine große
Liebe für mittelalterliche deutsche Literatur und Sprache. Ich kann
nicht fassen, dass Du gegangen bist...". Auch
der Berliner Sänger Hans Hegner, der bei ihm studiert hat,
erinnert sich voll Respekt: "Ulrich Müller hat mit seiner Liebe
zur Musik und seiner Aufgeschlossenheit gegenüber
unterschiedlichsten Ansätzen zur Aufführungspraxis den
Minnesang aus der Gelehrtenstube heraus in die frische Sommerluft
geführt.". Der Salzburger Musiker Thomas
Schallaböck (Dulamans Vröudenton) bedankt sich bei seinem
"Freund, Förderer und Mentor" mit den Worten "Danke für all
Deine geduldige Hilfe, danke für Deine Freundschaft. Wir
werden Dich sehr vermissen!". Und
der Sänger Knud Seckel aus Alsbach ergänzt: "Ulrich
Müller ist fuer mich der große geistige Wegbereiter, der mir
zeigte, dass Wissenschaft und Praxis zusammen gehoeren. Seine
Ratschläge waren für mich immer ein unbedingter Impuls in der
Interpretation meiner Musik."
Von den Früchten seiner Arbeit kann
die Minnesang-Szene noch lange ernten.
>>
Ulrich Müllers Text zur Aussprache des Mittelhochdeutschen, 2010
Minnesang.com zum Abdruck zur Verfügung gestellt.
>> Ulrich Müllers Biografie auf der Website der Uni Salzburg.