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Frauenlob Manesse-Bild

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Hintergrundinformationen zum Thema "Sängerkrieg" hier.

TANNHÄUSER GEGEN WALTHER???
Die MDR-Sendung „Geschichte Mitteldeutschlands“ (5/5) konstruiert ein fragwürdiges Sängerduell
von Dr. Lothar Jahn

Historische Spekulation kann schön sein, im besten Fall ermöglicht sie sogar einen erhellenden Zugang zur Geschichte. Dabei sind jedoch zwei Dinge wichtig:
1. Es muss erkennbar sein, wo die Fakten aufhören und wo die Fantasie beginnt.
2. Sie muss Plausibilität besitzen.
Gegen beide Gesetze hat der MDR im 5. Teil seiner Sendung „Geschichte Mitteldeutschlands“, die am 13. November 2011 erstmalig ausgestrahlt wurde, verstoßen.  Die Sendung trug den Titel "Liebe im Mittelalter: Die Skandale des echten Tannhäuser".

Wir erleben einen Hoftag gegen Ende der Herrschaft Ludwigs von Thüringen. Er kehrt 1226 vom Kaiser zurück und will sich dafür feiern lassen, dass Kaiser Friedrich II. ihm Meißen zugesprochen hat. Deshalb feiert er ein großes Fest auf der Wartburg und lädt dazu auch bekannte Minnesänger ein, darunter den Altmeister Walther von der Vogelweide und den jungen Tannhäuser. Eine „Doku“ im zur Zeit üblichen Stil des TV-Histotainments – martialische Ritter kommen aus den wabernden Nebeln der Vergangenheit, dazu pathetische Musik und sonore Sprecherkommentare, abgewechselt durch mehr oder weniger kompetente Experten-Statements, die Seriosität versprühen, bis wiederum Wolken im Zeitraffer über die Burg hinwegrasen. So weit, so bekannt.

Was ärgert, ist zunächst der Verzicht der klaren Kenntlichmachung der Fiktion. Ein solches Zusammentreffen der beiden Sänger ist zwar plausibler als das am Hofe Hermanns angesiedelte Wagnersche Opern-Setting, bei dem der Tannhäuser allerhöchstens als Kleinkind hätte teilnehmen können. Es wird aber durch die Kommentare immer wieder suggeriert, wir hätten es hier mit einer historischen Tatsache zu tun. Dabei handelt es sich hier um eine (durch Wagner angeregte) Fantasie. Fakt ist nur, dass Ludwig noch einmal kurz in Thüringen war, bevor er 1226 ins Heilige Land aufbrach – die Teilnahme am Kreuzzug war der politische Preis, den er dem Kaiser für Meißen zu zahlen hatte!

Aber ist die Fiktion wenigstens plausibel und anhand historischer Fakten entwickelt? Nun, zunächst wird der Altersunterschied zwischen den beiden künstlich verringert: Die Sendung spricht von 20 Jahren, die Physiognomie der Akteure verkleinert den Abstand noch mehr. Tannhäusers Dichtung wird aufgrund der historisch datierbaren Hinweise von der Forschung auf die Zeit zwischen 1245 und 1265 festgemacht, Walther datiert man zwischen etwa 1170 und etwa 1230. Allenfalls möglich gewesen wäre 1226 also der Streit zwischen einem Greis und einem pubertären Jugendlichen und nicht, wie dargestellt, eine Begegnung gleichrangiger Kontrahenten.

Walther Manesse Aber auch die Persönlichkeitszeichnung trifft nicht. Der stets streitbare Walther war nun alles andere als ein Vertreter der zur Form erstarrten Kunst der hohen Minnedichtung – hätte er Tannhäuser angreifen wollen, hätte er mit Sicherheit auch noch im hohen Alter dafür die rechten Worte gefunden! Die Charakterisierung lässt vollkommen die Auseinandersetzung aus den Augen,  die er mit Reinmar von Hagenau geführt hatte, bei der er ja gerade eine lebensnaheren Form der Minnedichtung (Stichwort: von der "hohen" zur "ebenen" Minne) propagiert hatte. Ihn, der vom Babenberger Hof auch deshalb vertrieben worden war, weil er die Beobachtung seiner Herrin beim Bade genussvoll schilderte, wobei es ihm das, was er in der Mitte des Leibes entdeckte, am meisten angetan hatte: „Ir kel, ir hende, ietweder vuoz, daz ist ze wunsche wol getân. Ob ich da enzwischen loben muoz, sô wæne ich mê beschouwet hân“. Nein, er spricht nicht vom gelockten Schamhaar wie der Tannhäuser später, aber er ist bestimmt nicht der prüde Moralapostel, wie er in der Sendung vorgeführt wird. Das hätten die Macher schon beim Reinhören ins Lindenlied, das ja kurz angesungen wird in der Sendung, spüren müssen. Die Sprechercharakterisierung Walthers, er sei bekannt für "dezente" und "tugendhafte Texte" wird dem Dichter, der sehr drastisch formulieren konnte, ganz bestimmt nicht gerecht.

Tannhäuser Manesse Der Tannhäuser auf der anderen Seite ist nicht so boshaft, wie er hier gezeichnet wird: Eine scharfe Polemik gegen andere Sänger war gar nicht seine Art, das wäre, wie gesagt, eher Walthers Stil gewesen! Ein Knittelvers, wie er in der Sendung tatsächlich auftaucht "Ja, der Walther, unser Dichter, im Alter wird er schlichter..." entspricht nicht im Mindesten seinem Niveau. Er ist auch nicht Graf Porno, der nur Zoten im Sinn hat (O-Ton "Idealbild des Ritters, der nur das eine will"): Seine Dichtung ist blumig und lichtdurchflutet, Erotik hat darin zwar ihren Platz, ist aber nicht Selbstzweck. Selbst die satirischen Anklänge wie bei der berühmten Minne-Parodie "Steter dienest" kommen versöhnlich, nicht verletzend daher. Sie hätte übrigens in der Sendung einen gebührenden Platz finden können, ist sie doch eine schön ausformulierte Kritik am Ideal des ungelohnten Dienstes, das der frühe Minnesang propagiert hat.

Bei der guten Materiallage bei Walther und dem Tannhäuser ist es ohnehin überhaupt nicht zu verstehen, dass bis auf kleine Ausnahme keine Originalzitate aus den Liedern genommen wurde, sondern eher schlecht als recht etwas im wahrsten Sinne des Wortes zusammengereimt wurde. Der Tannhäuser, der ja (entgegen einer „Experten“-Aussage im Film) nicht nur in der Manesse vorkommt, sondern sich auch in Handschriften von Jena und Kolmar findet, ist ja dort sogar mit Musik überliefert. Da hätte man also wunderschön Originalmelodien bringen können statt dieser merkwürdigen Vertonungen irgendwo zwischen Renaissance-Melodik. Romantik-Volkston und 70er-Jahre-Folk! An den beiden Drehorten Burg Falkenstein und der Wartburg hätte man sich nur mal umhören müssen, an beiden Orten waren oft genug Interpreten des Minnesangs zu Gast, die das ganze auf vernünftige Art und Weise dargeboten hätten. Zudem ist der MDR Jahr für Jahr Präsentator des Festivals „Montalbâne“, so hätte man mit ein wenig Rückfrage im eigenen Haus das nötige Knowhow beschaffen können.

Am Ende steht folgerichtig nochmal eine dreifache (!) Fehlinformation: Er solle "im Jahr darauf mit Landgraf Ludwig und dem Kaiser nach Italien und übers Mittelmeer bis ins Heilige Land gefahren sein". Aua. Bekanntlich endete der Kreuzzug für Ludwig schon im Feldlager in Otranto, wo er am Fieber starb, er erreichte das Heilige Land nie, und Friedrich II. kehrte wegen der ausgebrochenen Seuche ebenfalls erstmal um, weshalb er ja vom Papst gebannt wurde. Der Tannhäuser ist zwar in der Manesse-Miniatur im Kreuzgewand zu finden und berichtet in seinem Lied "Wol im, der nû beissen sol" höchst realistisch vom Unbill einer großen Fahrt übers Meer, doch die hat mit Sicherheit später stattgefunden. Aber laut MDR war er ja ein "Popstar des Mittelalters" - und was über die erzählt wird, darf man bekanntlich auch nicht auf die Goldwaage legen...

> Hier kann man die Sendung anschauen auf der MDR-Website.

ERGÄNZENDE ANMERKUNG:
Es gab auf dem MDR einen Chat zu der Sendung,  in dem  der Regisseur Dirk Otto zu Zuschauerfragen Stellung nahm.  Darin bestritt er nicht nur, dass es überlieferte Musik des Tannhäuser gibt, sondern schrieb sogar ganz generell: "
Es gibt keine Überlieferung von Musik, Melodien , Noten aus der Zeit der Minnesänger."  Ach, nein? Dabei war er schon so nahe dran, doch etwas zu finden, als er die Frage beantwortete, wo man Tannhäuser-Texte finden kann: "In Veröfefntlichungen des "Codex Manesse" einer mittelalterlichen Liederhandschrift aus dem 14. Jh. in der einige Lieder von Tannhäuser erhalten sind. Auch in der "Jenaer Liederhandschrift" ist wahrscheinlich etwas von Tannhäuser überliefert." Hm, da hätte man als Regisseur einer Sendung, die im Titel immerhin einen historischen Anspruch formuliert, ja mal nachgucken können. Da hätte er zumindest schon mal ein Lied mit Noten gefunden. 
  Bild "Klingsor von Ungarland"
Miniatur zum Sängerkrieg
auf der Wartburg aus der Manessischen Liederhandschrift

> Mehr zum Sänger Tannhäuser hier.








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