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Minnesang.com Dr. Lothar Jahn Guderoder Weg 6 34369 Hofgeismar 05671-925355 E-mail an Minnesang.com ![]() Die Weinberge von Freyburg tragen zur schönen Atmosphäre bei ![]() Fast schon mediterrane Stimmung: die Gassen von Freyburg ![]() Lohnt immer die Mühe: der Aufstieg zur Neuenburg ![]() Jedes Jahr der Startschuss: Jörg Peukerts Begrüßung in mittelhochdeutsch ![]() Viele ungewöhnliche und fast vergessene Instrumente sind zu erleben ![]() Instrumentenbauer beim Fachsimpeln: Thilo Viehrig und Martin Uhlig Alle Fotos: Dr. Lothar Jahn . |
MONTALBÂNE: NEU UND ALT IN HARMONIE von Dr. Lothar Jahn „Neue Gesichter, alte Bekannte“ hieß es in diesem Jahr beim international bekannten Mittelalter-Musikfestival „montalbâne“ in Freyburg/Unstrut, das den erfreulichen Gegenpol zu lautstarken Marktmusik-Veranstaltungen bietet, ohne dabei in würdevoller Weihe zu ersticken. Die Stimmung ist auch bei höchster musikalischer Qualität locker und gelöst, es liegt ein Zauber über dem Weinort, bei dem man sich eigentlich immer eher wie in Süddeutschland fühlt als im Leipziger Hinterland. ![]() Der "älteste Bekannte" war wohl der Pionier des Epengesangs und des sakralen Sangs Benjamin Bagby (Foto oben) mit seinem Ensemble Sequentia (Foto oben), das in diesem Jahr in vierköpfiger Version auftrat. Seine neue Version des Ensembles Sequentia umgab den hochbetagten Musiker mit Duo-Partner Norbert Rodenkirchen (Traversflöten, Citarra) und zwei brillanten jungen Gesangstalenten, im Mittelpunkt stand aber er mit seinem erzählerischen Gesangsstil zur Begleitung einfacher, meditaviver Patterns seiner Leier. Es wurde versucht, Musik des 11. Jahrhunderts wieder hörbar zu machen, Manches zum ersten Mal. Es war ein anrührender Auftritt: Bagby versunken in seiner ganz eigenen Kunst, Rodenkirchen, der Impulse und Themen des Meisters musikalisch aufnahm und fortspann, dazu Jasmina Črnčič und Lukas Papenfusscline stimmlich souverän und voller Enthusiasmus. Das Eröffnungskonzert am Vorabend lockte mit etwas reißerischem, nicht ganz zutreffendem Etikett: „Unanständige Lieder“ aus dem italienischen Quattrocento wollte das Ensemble „Anonima Frottolisti“ in großer Besetzung interpretieren. Diese Bezeichnung passte aber eigentlich nur auf ein Lied, bei dem im Stil von „Polonaise Blankenese“ immer die Erwartung von Reimen mit umgangssprachlichen Begriffen für Geschlechtsteile und sexuelle Handlungen gebrochen wurde, man dann aber doch einen harmloses Wort mit gleicher Endung präsentierte. Ansonsten wurde einfach auf sehr ansprechende Art Musik aus der Zeit geboten, als die schriftliche und mündliche Überlieferung von Musik miteinander verschmolzen, antike Überlieferung und volkstümlicher Übermut sich verbanden und auch der Grundstein zur Commedia dell’Arte gelegt wurde. Der Höhepunkt für Liebhaber des Minnesangs lag in dem Auftritt des Hieronymus Consorts auf der Neuenburg: Angesichts des 700. Todestages des Fürsten Wizlaw von Rügen ging es um die Lieder, die dem Rügenfürsten zugeschrieben werden. Prof. Franz-Josef Holznagel von der Universität Rostock, der den Anstoß für die Beschäftigung mit Wizlaw-Liedern gegeben hatte, machte gleich zu Anfang klar, dass er sich aus der Diskussion, ob Fürst und Sänger identisch sind, an diesem Tage heraushalten würde. Ihm ging es viel mehr darum, die lyrische und auch musikalische Finesse des in der Jenaer Liederhandschrift überlieferten sehr späten Minnesängers aus der Wendezeit des 13. zum 14. Jahrhundert herauszustellen. Das gelang ihm in diesem Gesprächskonzert mit Bravour: Er stellte pointiert Sangsprüche und Minnelieder Wizlaws in Inhalt und Form vor, dies wurde vom diesmal nur dreiköpfigen Consort jeweils musikalisch auf nachvollziehbare Art illustriert. Dabei muss besonders die Leistung des Sängers Jeroen Finke herausgestellt werden, der die höchst abwechslungsreichen Lieder sehr textorientiert interpretierte, beim höchst komplizierten Sangspruch „Ich warne dich“ aber auch mit melismatischer Klangschönheit brillierte. Seine Begleiter David Budai (Rebab) und Max Hattwich (Quinterne) hielten sich im Hintergrund, sorgten aber für eine stimmige Begleitung. Ein zweites Glanzlicht war der Auftritt des Duos von Miriam Andersén und Anna Rynefors aus Schweden, die im Weinkeller der Neuenburg sich der Musik der Wikinger widmeten. Wobei der Schwerpunkt auf den Ergebnissen eines eigenen Forschungsprojektes über Skaldinnen und Sagaheldinnen lag. Im Gegensatz zum üblichen Dresscode bei Montalbane – klassisch schwarz – traten die beiden in mittelalterlicher Gewandung auf, und auch die Interpretation der allerältesten nordischen Gesänge, die teilweise mit Runen auf Steinen überliefert sind, kam sympathisch und lebendig auf die Bühne. Mit Kuhhorn, Leier, Säckpipa, Talharpa, Flöten und Trommeln sorgten die beiden für einen zauberhaften Nachmittag. Miriam Andersén, die beim Festival ja immer wieder in ganz unterschiedlichen Produktionen zu erleben war, wirkte diesmal erfreulich nahbar und ganz bei sich. So als hätte sie mit dieser Musik, ihre eigene Heimat gefunden und müsste davon allen berichten! Im Gegensatz zur Hingabe, mit der die beiden Schwedinnen ihr Programm konzipiert hatten, wirkte der Auftritt von Poul Høxbro und Ian Harrison mit Spielmannsmusik. Hier fehlte irgendwie der rote Faden und es ging vor allem um die Zurschaustellung geradezu abenteuerlicher Virtuosität. Ob man nun ein Marienlied, Minnesang oder Tanzmusik interpretierte, war dabei ziemlich egal, der geistige Hintergrund verblasste. Andererseits mag das gerade auch „authentisch“ sein, denn die Spielmänner mussten auf Straßen und Plätzen ja das Publikum verblüffen und faszinieren, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und ihr Auskommen zu sichern! Das Motto „neu und alt“ wurde vom Enemble Nu:n dann auf ganz andere Art interpretiert: Das Trio mischte mittelalterlich-sakrale Klänge mit jazzigen Improvisationen. Im Mittelpunkt des Ensembles steht Falk Zenker mit seiner E-Gitarre, der vor allem eine Vorliebe für raffinierte Echo- und Halleffekte hat, mit denen sich bordunähnliche Klänge erzeugen lassen. Im Konzert dominierte ein meditativ-sphärischer Ton, wobei Gert Anklams hervorragendes Saxophonspiel oft an Jan Garbareks Begegnungen mit dem Hilliard-Ensemble erinnerte. Man merkte, dass die beiden ein sehr gut eingespieltes Team darstellen, das sich die musikalischen Ideen gegenseitig zuwarf. Einen deutlichen Kontrast , auch durch die Kleidung gekennzeichnet – Anklam und Zenker im weißen Hemd mit schwarzer Weste und Hose, Cora Schmeiser im schönsten, historisch inspirierten Kleid – bildeten die Gesangseinlagen. Die Sängerin wirkte wie eine Zeitreisende, die aus dem Mittelalter in die Stadtkirche St. Marien gebeamt wurde. Sie intonierte innig und klar und blieb im Gegensatz der Kollegen strikt bei den überlieferten Melodien. Höhepunkte waren dabei der Anfang und Schluss: Das herrliche „Procurans odium“ aus den Carmina Burana und am Ende Gillebert de Bernevilles unendlich trauriges Trouvèreslied „De moi doleros“ über einen Mann, der nie die Liebe kennenlernen durfte. Es lohnte sich diesmal, bis zum Ende zu bleiben, denn das Festival klang aus mit einer Art Jam Session: Beim „Musenhof montalbâne“ war auf der Neuenburg alles erlaubt: freche italienische Lieder ebenso wie schottisch-gälische Folksongs, Spielmannsmusik und sogar Eigenkompositionen. Viele Akteure, die seit Jahren immer wieder eingeladen werden, waren mit dabei. Gabriella Aiello und Peter Rabanser sorgten mit überschäumendem italienischen Temperament für einen leidenschaftlichen Höhepunkt: Vor allem das Lied vom Fisch, der so gerne von der Angebeteten verzehrt werden möchte, um ganz dicht am Herzen der Liebsten zu sein, blieb im Gedächtnis. Und immer wieder beglückte die künstlerische Leiterin des Festivals, Susanne Ansorg, mit ihrem wunderbar warmen anrührenden Fidelton. Ian Harrison bezeichnete sie in seiner Würdigung mit einem etwas schiefen Bild als „Spinne“, die ein „Netz der Liebe“ spannt, um das Festival zusammenzuhalten. Das Netz war jedenfalls mehr als fein gesponnen, wofür es vom Publikum ganz großen Applaus gab. Für "montalbâne" war 2025 auf alle Fälle ein sehr guter Jahrgang, die große Hitze des Wochenendes verstärkte das geradezu südliche Flair. |
![]() Zentrum des Geschehens: die Stadtkirche St. Marien in Freyburg ![]() Norbert Rodenkirchen beeindruckte erneut durch beseeltes Flötenspiel ![]() Ensemble Nu:n: Begegnung von alt und neu ![]() Ein Höhepunkt: Das Hieronymus Consort in der Neuenburg mit Wizlaw-Liedern ![]() Zauberhaft: Das schwedische Duo mit Musik der Wikinger ![]() Die Spielmänner sind in der Stadt: Poul Høxbro und Ian Harrison |
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>> Mehr Informationen: www.montalbane.de |